Paddeln um Korsika 2014
mit Klepper Langeiner

© Bilder und Text Klaus Goerschel


Teilstrecke 3
Ajaccio - Sant Florent

7 Paddeltage, 206 km

2 Tage in Ajaccio, Camping Barbicoja

An diesem Sonntagmorgen wachte ich 5.30 niedergeschlagen und deprimiert auf. Ich hatte noch spät am Abend Horst und Ilona, Jugendfreunde, die zufällig in Korsika Urlaub machten,  angerufen und ihnen mein Unglück geschildert. Sie erklärten sich sofort bereit heute am Sonntag nach Ajaccio zufahren und mir finanziell auszuhelfen. Ich war ihnen sehr dankbar und freute mich, sie endlich einmal wiederzusehen, wenn auch unter diesen traurigen Umständen. Also rasierte ich mich und machte mich auch sonst landfein. Meine Zeltutensilien trug ich zum Campingplatz hinauf und ab Mittag stellte ich mich an die Straße, damit sie das Hotel Pineda auf keinen Fall verfehlten.


So gegen 1 Uhr mittags kamen sie auch. Große Wiedersehensfreude. Wir fuhren die Küste entlang nach Westen zu einer schönen Strandbar mit Musik. Dort setzten wir uns an eine Tischgruppe direkt am Strand und tranken Bier. Klar, dass ich erzählen musste wie alles passierte, aber auch über meine Paddeltour um Korsika musste ich berichten.

Es war wie in alten Zeiten, nur dass wir 40 Jahre älter waren. Horst meinte noch, wenn du nach Galeria kommst besuchen wir dich noch einmal. Vielleicht sogar wenn du in Porto bist. Es ist eine große Strecke, sagte ich nur, aber ich versuche es.  Schließlich machten sich die Beiden wieder auf den Weg nach Calvi zu ihrer Pension. Ich war  ihnen sehr dankbar, dass ich nun wieder etwas kaufen und bezahlen konnte.

 

Am Montag lief ich schon in aller Frühe in die Stadt. Ich musste mir ein Ladegerät für mein Handy besorgen. Mit viel Glück wurde ich fündig.

Den ganzen Tag lief ich in Ajaccio herum und schaute mir in ziemlich melancholischer Stimmung die Stadt an, bis ich dann am Nachmittag wieder zum Campingplatz lief. Dort bereitete ich mich auf die Weiterfahrt morgen früh vor. Ich trank auch an diesem Abend ein leckeres Pietra Bier und ließ auf diese Weise meine Wunden heilen.

 

 

19.  Paddeltag              34 km

 

Dienstag 27.5.                    Ajaccio – Golf von Liscia, Campingplatz hinter Strand

Bereits 5.30 Uhr bin ich auf den Beinen. Der Himmel ist bedeckt, aus West weht ein leichter Wind und eine erstaunlich hohe Dünung brandet an den Strand.  Eine seltsame Ruhe liegt über der Küste, schwer wie Blei. 7 Uhr morgens lege ich ab mit einem Gefühl der Leere als hätte ich hier ein Teil meines Selbst zurück gelassen.

   
Schon bald klart der Himmel auf und die Passage zwischen dem Leuchtturm der Insel Sanguinares  und dem  Genueserturm von Parata liegt ruhig und klar vor mir.

Aber am Kap von Parata geht es, wie nicht anders zu erwarten hoch her. Westwind und hohe Wellen, die mächtig gegen die Felsen anbranden, sowie eine Strömung, die dafür sorgt, dass ich nur zentimeterweise um die Felsnadel herum komme.
Kaum habe ich sie gerundet, empfängt  mich stürmischer Seegang bei relativ leichtem Wind von 2 bis 3 Windstärken an einer stark verblockten Küste. Wenn auch die Wellen keine einheitliche Richtung haben, so kommen sie doch bevorzugt aus  Westsüdwest. Ich komme gut voran, muss aber höllisch aufpassen und verzichte auf ein Bild vom Kap Feno.
Aber hier geht es erst richtig los. Die See wird stürmisch mit weißen Schaumkronen und brandet  haushoch gegen die Felsblöcke. Ich muss einen weiten Bogen um das Kap machen. Die Küste verschwimmt im Sprühnebel der Gischt, das Meer tobt und ich spüre kaum, ob ich nun wirklich vorankomme.
Nach ungefähr einer halben Stunde weitet sich das Meer und ich weiß, dass es der Golf von Lava ist. Da der Wind direkt in die Bucht hineinweht, ist mir klar, dass ich am Strand der Lava Residence außerordentlich hohe Brandung zu erwarten habe. Ein Rückweg würde mir auch versagt bleiben, falls ich mich in letzter Sekunde doch gegen die Anlandung am Strand entscheiden würde. Denn Wind und Wellen würden absolut gegen mich stehen und so würde  ich aus dem Inferno nicht mehr herausgekommen.
Also entscheide ich mich, quer über den Golf von Lava auf den Turm von Palusella zu zu paddeln. Mein Ziel ist jetzt der Golf von Liscia, von dem ich hoffe, auf der Südseite etwas geschützter zu sein.
Gegen 18 Uhr runde ich das Kap von Palmentoju und sehe nun den schönen Strand von Liscia. Je näher ich dem Sandstrand komme, desto mehr schwindet die Hoffnung hier auch nur die kleinste Stelle zu finden, wo das Meer  etwas ruhiger ausläuft. Schließlich bleibt mir nichts anderes übrig, als Anlauf zu nehmen und mit voller Kraft durch die Brandung zu paddeln. Es klappt erstaunlich gut. Ich komme auch mit aller Behendigkeit schnell aus dem Kajak.  Aber dann zieht die Rückwelle das Boot mit aller Macht ins Meer zurück. Verzweifelt stemme ich mich entgegen. Das sehen noch einige Badegäste und helfen mir, das Boot mit an Land zu ziehen. Geschafft, es ist nichts passiert und ich danke allen.

 


Gleich anschließend am Strand gibt es einen schönen Campingplatz. Meine Fahrt durch die stürmische See und die abenteuerliche Anlandung am Strand ist hier gleich Gesprächsthema und so dauert es nicht lange bis eine ganze Menge Leute an den Strand kommen, um sich das Schauspiel anzusehen. Aber es gibt nicht mehr viel zu sehen.
Da ich natürlich selber auch in der Brandung lag und klitschnass geworden bin, außerdem Hunger und Durst nach diesem langen Tag habe, nehme ich dankbar eine Einladung von Mischa zum Abendessen an. Ich bin sprachlos über diese Freundlichkeit. Es gibt leckeren Salat, Brot und allerlei Wurst und Käse. Keine Frage, dass es natürlich in netter Gesellschaft viel besser schmeckt als allein. Vielen Dank! Wir unterhalten uns angeregt über meine Tour, von der sie alles gern wissen wollen, bis es dunkel wird.


Wieder am Zelt räume ich erst Decken, Schlafmatte und Schlafsack ein, ehe ich mich wohlig ausstrecken kann und dann auch schon bald einschlafe.  

 

 

1 Ruhetag           Camping Liscia

 

Würde ich heute weiter paddeln, hätte ich mich schon gestern abend darauf vorbereiten müssen. Auch hätte ich spätestens 6 Uhr morgens wieder auf den Beinen sein und alles wieder zum Strand zurücktragen müssen. Heute ist es zu spät, also plane ich meine Weiterfahrt für Morgen und stehe somit auch erst gegen 8 Uhr auf. Ich frühstücke in Ruhe, wasche Wäsche, trockne und räume das Boot auf. Ausführlich mache ich mir Gedanken, wo ich morgen einsetzen könnte. Bis zu dem kleinen Teich am Strand, durch den auch ein Bach fließt, sind es nur einige Meter. Wollte ich das Boot allein zur Einsatzstelle am Strand bringen, wäre es sinnvoll, es durch den Teich und anschließend durch den Bach zu treideln. An der Mündungsstelle am Strand wäre die Brandung am geringsten.


Ich mache mir noch Gedanken über die Treidelprozession, als mich eine junge Frau anspricht und fragt, wie es gestern hier gewesen sei. Wir kommen ins Gespräch über meine Paddeltour und sie ladet mich zum gemeinsamen Abendbrot mit ihrem Mann Reinhold für abends 8 Uhr ein. Ich danke für die Einladung, freue mich auf die Gesellschaft und nehme an.



Es wird ein schöner lauer Sommerabend. Angela hat Spagetti Bolognese zubereitet. Reinhold spendiert gleich mal eine Flasche eiskaltes dunkles Bier, das geradezu himmlisch schmeckt. Es wird fleißig gegessen getrunken und sich unterhalten. Bis in den späten Abend kreist die Unterhaltung über Korsika, die Schönheit des Landes und wie man hier am besten seinen Urlaub verbringt. Da auch mein Wein noch auf den Tisch kommt, sind wir alle leicht angeheitert, als wir uns mit einem „Gute Nacht bis Morgen“  verabschieden.

 

 

20.  Paddeltag              26 km

Donnerstag 29.5.              Golf von liscia – Golf von Chiuni

Ich zögere nicht und schleppe schon 6 Uhr meine ganze Bagage zum Strand hinunter. Der Zeltplatz liegt noch in tiefem Schlaf, da treidle ich schon das Boot den Bach zum Meer hinunter.

Der Himmel ist leicht bewölkt, der Wind weht aus Südost und die Brandung hat etwas nachgelassen. Ich knie gerade am Bach und stopfe einen Sack nach dem anderen in mein Boot, als Reinhold und Angelika kommen und mir gleich helfen. Mittlerweile  schlagen die Wellen schon wieder weiter auf den Strand und ich beeile mich abzulegen. Herzliche Verabschiedung von den Beiden. 8.45 Uhr schiebt mich Reinhold im Bach an, ein paar Paddelschläge und ich bin durch die Brandung und wieder auf dem Meer.

Noch ein Blick zurück in die Bucht von Liscia zeigt mir die Schönheit der korsischen Westküste.


Nach 3 Stunden Paddelei steuere ich auf einen Strand bei Sagone zu. Ich glaube der Hunger macht mir zu schaffen und so frühstücke ich erst einmal ordentlich Brote mit Käse und frisches Wasser dazu. Obwohl heute die Sonne scheint, ist es nicht zu heiß. Immer mehr Badegäste tauchen auf und genießen das Strandleben. Auch ich genieße die Ruhe und den kühlen Wind und hätte mir gut vorstellen können, bis zum Abend zu bleiben.


14 Uhr geht es weiter. Anfangs paddle ich auf glatter See, später  frischt der Wind aus Südwest auf 3 Windstärken auf und gleich wird es wieder anstrengend.  Hohe Wellen und an den Kaps von Cargese und Omigna starke Brandung zwingen mich, gehörigen Abstand zur Felsküste zu halten.


Bereits 17 Uhr entschließe ich mich, der hohen See auszuweichen und paddle in die Chiuni Bucht. Auf halbem Weg zum Ende der Bucht entdecke ich einen kleinen Kiesstrand am Nordufer. Besonders schön ist er nicht, aber er ist geschützt,  ich habe den Strand für mich und muss nicht noch 2 km paddeln.
Nach ein wenig Begradigungsarbeit baue ich schnell das Zelt auf.

 

Zum Abendessen brate ich mir Spiegeleier mit Schinken und dazu ein Pietra Bier. Ich war restlos zufrieden und nun ging es mir richtig gut. Es ist einfach wunderschön von einer geschützten Bucht aus dem Sonnenuntergang zuzusehen. Später in der Nacht ist der Himmel so klar, dass die Sterne funkeln und die Milchstraße ein gut sichtbares Band über das Firmament zieht.   

 

 

21.  Paddeltag              25 km

 

Freitag 30.5.                       Golf von Chiuni – Porto
                                      Beach von Piani

Ein ungewohnter Anblick! Der kleine dunkle Kiesstrand liegt in den Strahlen der Morgensonne. Ich bin ein wenig verwundert, dass sich die See nicht wie sonst üblich über Nacht beruhigt hat. Ein besonderes Zeichen? Ich weiß es nicht, bin aber besonders aufmerksam. Diesmal frühstücke ich ordentlich Brot mit dicken Schinkenscheiben, um nicht wieder wegen Hunger einzubrechen. 8 Uhr schlängele ich mich vorsichtig an den Ufersteinen vorbei.
Ich paddle auf der Nordseite der Chiuni- Bucht auf das Kap Orchinu zu. Die See kabbelt und so brauche ich für die 2 km bis zur Felsspitze eine ¾ Stunde. Es kann sein, dass die Strömung auch gegen mich ist. Als ich das Kap gerundet habe, liegen 5 km blaue See bis zum Kap Rossu vor mir.
Je mehr ich mich dem Felsen nähere, desto kabbeliger wird die See und so muss ich mich gut vom Fels und der Brandung fernhalten, während ich gegen 10.30 mühsam das rote Kap umrunde.  Hinter dem Kap eröffnet sich eine fremdartige klippenreiche steile rote Felslandschaft.

Ich bin tief beeindruckt von den stark zerklüfteten Felstürmen, die im schönsten karmesinrot in der Sonne leuchten.
Aber bei aller Konzentration und Aufmerksamkeit, die ich bei der unruhigen See aufbringen muss, genieße  ich doch die außergewöhnliche Schönheit  der bizarren Felsformationen.

 

An einem Kiesstrand,  auf den ich kaum mein Boot ziehen kann, bin ich dem Spiel der Formen und Farben besonders nah. Die roten Felsen steigen hinter mir steil und hoch auf und dadurch, dass sie im Schatten liegen, geht ein wunderbar kühler Hauch von ihnen aus. Natürlich bin ich auch froh eine ruhige Bucht gefunden zu haben, um ein wenig zu essen und auszuruhen.
Die See wogt stark und als ich mich einer winzigen Bucht mit einigen Häusern nähere, entschließe ich mich, hier nochmals an Land zu gehen.

Die kleinen Häuser am Strand scheinen verlassen. Ich stöbere ein wenig zwischen ihnen herum und stoße auf einen kleinen Wasserfall, der sich in ein Felsbecken ergießt.  

 

Ein Tourist macht ein Bild von mir und dann sehe ich vom Berghang aus, dass das Meer versucht, mein Boot ins Wasser zu ziehen. Ich eile zum Strand.  Es wird Zeit, dass ich nach Porto komme.
Die letzten Kilometer nach Porto paddele ich so dicht wie möglich an der Felsküste entlang. Noch näher an die Felswände wagen sich die kleinen Motorboote, die mit einer Handvoll Touristen besetzt, so nah wie möglich an Spalten und Grotten motoren, um die ultimative Landschaft  so eindrucksvoll wie möglich zu zeigen.   


Gegen 17 Uhr taucht der Strand von Porto sichtbar vor mir auf. Ich nähere mich, von Wellen und Wind unterstützt, sehr schnell der Küste. Schon bald sehe ich, dass eine gewaltige Brandung auf den Strand rollt. Mir ist unwohl.
Voller Kraft paddle ich los und schieße in die weiße Gischt. Das Boot kommt gut voran. Als ich nur noch einfach Wasser vor mir sehe, springe ich blitzschnell die Hände hinten auf dem Süllrand  aus dem Boot. Kaum bin ich draußen, rollt die nächste Welle an und wirft das Boot gegen mich  den Strand hinauf. Es wird umgeworfen und ich klammere mich daran fest, um es sofort wieder aufzurichten. Es gelingt mir sogar das Boot aus der Brandung zubekommen.

   
Ich bin glücklich, alles an Land geborgen zu wissen und schaue zurück. Die Brandung tobt ohrenbetäubend. Noch wie benommen stehe ich auf dem weiten Strand, da nähert sich Walter, der sich für mein Boot interessiert und wir kommen ins Gespräch über meine Korsika Paddeltour.

Wir verstehen uns auf Anhieb und als Walter hört, dass ich hier grundsätzlich vorhabe, meine Tour zu unterbrechen und mich nach Bastia durch zu schlagen, bietet er mir an, mich samt Boot mit nach Bastia, respektive Erbalunga, zunehmen. Dort steht mein Auto und ich werde nach Calvi fahren, um mich auf den GR 20 und die Wanderung vorzubereiten.

Ich bin glücklich und Walter sehr dankbar, dass ich mein Boot nicht allein am Strand zurück lassen muss, während ich mit Bus und Bahn nach Bastia fahre. Gemeinsam mit seiner Frau gehen wir noch zum Essen, unterhalten uns angeregt und verabreden uns dann für Morgen 7 Uhr früh am Auto.


 

 

Unterbrechung

Nachdem mich Walter zu meinem Auto nach Erbalunga gebracht hatte, fuhr ich nach Calvi auf den Campingplatz "Les Castors". Hier war ich in der Nähe der Ferienanlage "Le Home", die mir von Horst und Ilona sehr empfohlen worden waren und dessen freundliche Besitzer meinen Postverkehr aus Deutschland in Empfang nahmen. Nochmals vielen Dank für das Entgegenkommen.
Ich nutzte die Zeit mein Boot zu säubern und zu verpacken. Da es schon Ende Mai war, entschied ich mich, auf dem GR 20 zu wandern, um dem großen Urlaubsrun im Juli auszuweichen.
Nach meiner  Wanderung auf dem GR 20 fuhr ich mit dem Auto  nach Porto, um dort meine Paddeltour fortzusetzen.

Die Westküste von Korsika ist berühmt wegen seiner steilen Klippen und  bizarren, roten Felsformationen,  vor allem im Bereich der Calanche und von Scandola, dem einzigartigen Naturparadies mit vielen Grotten, das alljährlich von vielen Touristen mit Ausflugsbooten besucht wird.

So schön und aufregend diese Felsen auch sind, sie bieten dem Seewanderer im Kajak nur selten die Möglichkeit in einer Bucht Schutz zu suchen. Ich hatte mich in Porto auf dem kommunalen Zeltplatz eingerichtet und wartete nun auf Wetterverhältnisse, bei denen  ich es wagen konnte, mindestens  36 km bis Galeria zu paddeln. Ganz frei von Risiko ist die Strecke nie, da die Windverhältnisse hier äußerst kompliziert und damit schwer vorhersagbar sind.
Doch am Dienstag den 1. Juli war es so weit. Das Boot war aufgebaut und an den Fischereihafen gebracht. Die Packsäcke lagen im Auto bereit  und  mit der Campingleitung war die Bewachung meines Autos abgesprochen.    

 

 

22.  Paddeltag              36 km

Mittwoch 2.7.                    Porto -  Bucht von Galeria, Anlandung

Stehe sehr beklommen 5 Uhr auf und schaue sofort nach dem Wetter. Klarer Himmel und Windstille, ich bin beruhigt und zufrieden. Schnell Zelt abgebaut und alles gepackt.
Das Paddelboot schiebe ich auf dem Bootswagen die betonierte Einsetzstelle hinunter ins Hafenwasser. Dort kann ich in aller Ruhe packen. Noch ein kaltes Schnitzel gefrühstückt und dann kann ich es kaum erwarten abzulegen.


8 Uhr paddle ich durch die Hafeneinfahrt. Über der Bucht liegt eine wunderbare Morgenstimmung. Es regt sich kaum ein Wind und die See ist fast glatt. Das Kap der Halbinsel Skandola leuchtet bereits im zarten rot der ersten Sonnenstrahlen. Ich paddle sofort auf die Punta Muchillina zu.

Hinter dem Senino Kap überlege ich ernsthaft, ob ich Girolata anlaufen soll. Ich entscheide mich dagegen, weil ich die außerordentlich günstige Wetterlage, die es mir  ermöglicht schnell voran zukommen, nutzen möchte, um bis Galeria zu kommen. Vorher habe ich keine Anlandemöglichkeit.
Gegen 9 Uhr halte ich auf das Kap Muchillina zu. Die See ist ungewöhnlich ruhig. So sanft wie heute ist auf meinem bisherigen Weg noch kein Kap umplätschert worden. Nun endlich fahre ich an der sagenumwobenen Küste vorbei, die als die schönste Korsikas gepriesen wird.

Bizarre Felsen und Felstürmchen im dunklen karmesinrot vermitteln den Eindruck, als seien sie noch nicht lange dem Schlund der Erde entstiegen. Es sieht nach Vulkangestein aus, man ahnt die Eruptionen noch und die kleinen vorgelagerten Inseln, steigen aus der blauen See, als würden sie auch den gleichen Augenblick wieder versinken können. 


Ich fotografiere sooft ich kann. Habe ich diese Landschaft bisher als von der Touristikbranche übertrieben dargestellt empfunden, so bin ich jetzt selbst tief beeindruckt. Mir wird auch bewusst, dass es ein großes Glück ist, dieses Naturschauspiel im eigenem Boot zu erleben, mit dem ich mich frei bewegen, mich den Felsen nach Belieben nähern und so lange verweilen kann, bis ich das Erlebnis in mich aufgenommen habe.


Kurz nach Mittag passiere ich Punta Palazzu und den vorgelagerten Felsen, der so charakteristisch für den Naturpark Scandola ist. Es ist brütend heiß. Die See ist immer noch sanft, obwohl mittlerweile ein leichter Wind von Nordwest aufgekommen ist. Langsam weicht das tiefe Rot der Felsen und gezackte Formationen aus dunkelgrauem Granit erheben sich aus dem Meer.


17 Uhr erreiche ich ziemlich erschöpft den Sandstrand von Galeria. Da die Restaurants noch nicht geöffnet haben, mache ich einen Spaziergang zum Sparmarkt und kaufe Wein, Orangensaft, Bier und Salatgemüse.  Wieder am Boot steige ich schweren Herzens ein und paddle 18 Uhr weiter zu dem riesigen gegenüberliegenden Strand. Wie selbstverständlich hatte ich angenommen es sei hier auch ein Sandstrand. Aber weit gefehlt, es ist ein steiler Kiesstrand, auf den ich nur mit Mühe mein Boot ziehen kann.


So gut es geht planiere ich ein wenig meine Schlafstelle, baue das Zelt auf und bereite mir in der Nähe einer Felsausbuchtung ein kaltes Abendessen. Aber das Leckerste soll noch kommen. Rotwein gemischt mit Orangensaft.  Schon bald sorgt der Wein für allerbeste Stimmung und der monotone Kiesstrand wandelt sich um in eine wahre Strandoase. Auch fange ich erst jetzt an zu jubeln, dass ich die gefährliche Küste von Scandola hinter mich gebracht habe.

 

23.  Paddeltag              30 km

Donnerstag 3.7.                Ostplage von Galeria – Calvi, Camping Dolce Vita

5 Uhr morgens, es ist heute erstaunlich kalt, aber ich bin zufrieden, denn es herrscht Windstille. Ich will so schnell wie möglich  auf das Wasser. Mein Gefühl sagt mir, spätestens mittags wird Wind aufkommen.

Gegenüber gestern ist die Situation aber ein wenig entspannter. 6 km weiter könnte ich die Crovani Bucht anlaufen. Vielleicht auch die Nichiareti Bucht nochmals 12 bis 14 km weiter, obwohl ich befürchte, dort auf einen groben mit großen Steinen durchsetzten Strand zu treffen.
7.45 Uhr paddle ich los. Es läuft gut, ich komme zügig voran, denn die See ist nur wenig bewegt, der Himmel bedeckt und Wind kann ich kaum verspüren.
Es läuft so gut, dass ich meinen ursprünglichen Plan, an den Sandstrand der Crovani  Bucht zu paddeln, aufgebe.

Ich paddle was das Zeug hält auf das Mursetta Kap zu und dann die zerklüftete Westküste entlang nach Norden zum Kap Cavallo.
Und dort tritt ein,  was ich befürchtet hatte. Urplötzlich kommt ein Wind aus Nordnordwest auf und bläst mir mit 3 Windstärken ins Gesicht. Im Nu rollen Wellen auf mich zu. Das Schlimmste ist, dass ich nur langsam, fast zentimeterweise voran komme.  Ich paddle mit äußerster Kraft in die Bucht von Nichiareto  in der Hoffnung, auf der Südseite der Bucht Schutz zu finden. Die Hoffnung erfüllt sich, als ich einen kleinen Kiesstrand ansteure.

Es ist erst 11 Uhr und ich kann nichts anderes tun als warten und mich ausruhen. Laut Wetterbericht vor zwei Tagen, waren für heute drehende Winde vorhergesagt. Große Aufgabe nun, ich muss frühzeitig erkennen, wann der Wind dreht.
Die kleine Kiesbucht erweist sich als ideal zum Rasten. Auf einer großen Felsplatte kann man sich im Notfall sogar zum Schlafen legen.  
2 Uhr nachmittags brandet das Meer genau auf meinen Kiesstrand. Aber es gibt ein Missverhältnis. Die Größe der Brandung und Richtung und Stärke des Windes passen nicht zusammen. Also hat sich der Wind gedreht und ich sehe zu, dass ich so schnell wie möglich in mein Boot komme.   
Ich paddele gleich nördlich auf das Kap Guale zu. Die Wellen stehen gegen mich, aber der Wind bläst aus Südwest und so komme ich ganz gut voran. Schließlich sehe ich in der Ferne, das langsam ins Meer auslaufende Bianca Kap.
Gegen 15.30 runde ich das Kap.

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Am Kap Rossa sehe ich zum ersten Mal den Leuchtturm von Revellata zwischen den Felsen schimmern.  Da übermannt mich die Freude und ich zum Ersten Mal auf der ganzen Tour juble ich laut. Nochmals geht es an steilen Felswänden entlang. Der Wind und sehr hohe Wellen kommen direkt von hinten. 16.45  Uhr kommt für mich der denkwürdigste Moment, ich runde  das Kap Revellata und das empfängt mich mit riesenhohen Wellen. Den Fotoapparat hatte ich schon draußen, da sehe ich die Gefahr überdeutlich und paddele  mit ungeschütztem Apparat aus der Gefahrenzone. Das war knapp!   

Erst dann machte ich ein Bild mit den Klippen und der Zitadelle von Calvi im Hintergrund.  


Froh darüber, auch diesen gefährlichen Küstenabschnitt problemlos hinter mich gebracht zu haben, quere ich in bester Stimmung die Bucht von Revellata zur Zitadelle hinüber.

Es sind noch einmal 3 km bis zu dem gelben Militärhaus an der Flussmündung zum Campingplatz Dolce Vita. Ein Soldat beobachtet mich, als ich in den Fluss hinein paddle. Ich bin glücklich und unglaublich erleichtert ohne weitere Schwierigkeiten hier angelandet zu sein.


Schnell baue ich mein Zelt auf und gehe anschließend in das Restaurant, um mir ein gutes Abendbrot zu bestellen. Eine Pizza Catalan und ein großes Bier. Alles viel zu teuer, aber was soll es, ich bin wohlbehalten angekommen und das zählt.

 

2 Tage                 Calvi, Camping Dolce Vita

In dieser Nacht hatte ich von hohen Wellen und steilen Felsen geträumt. Bei Sonnenaufgang wackelte das Zelt und ich konnte lange nicht unterscheiden, ob ich nun von der wilden See träumte oder ob tatsächlich ein Sturm über mich hinweg fegte. Doch ich wurde schnell hellwach, als ein ohrenbetäubender Sturm über mich hinweg brauste und Blätter und Äste auf mein Zelt regneten. Nach 20 Minuten war der schlimmste Spuk vorbei, aber nun wehte ein kräftiger Wind aus Westen. Ich lag im Zelt und entschied, nicht weiter zu paddeln sondern heute die Wetterentwicklung abzuwarten.
Ich beschloss die Zeit zu nutzen und  mein Auto per Stop aus Porto zu holen. Es klappte gut. Abends gerade rechtzeitig vor Beginn des Weltmeisterschaftsspieles Deutschland gegen Frankreich war ich wieder auf meinem Campingplatz Dolce Vita. Viele Franzosen schauten im Restaurant dem Spiel zu und als Deutschland gewann, wurde ich nicht müde, „es tut mir leid“ zusagen.  
Als ich mir zum abendlichen Ausklang einen Wein mit Orangensaft mixte, war mir die Wettersituation für morgen noch zu unsicher und ich entschloss ich mich, erst am Sonntag  nach Ile Rousse zu paddeln.


Am nächsten Tag, es war ein Samstag, bereitete ich mich auf die Fahrt vor, indem ich das Boot besonders leicht packte, d.h. diesmal ohne Tisch und Stuhl nur mit dem Notwendigsten ausgerüstet. Mein Vaude Zelt wollte ich in Dolce Vita stehen lassen und nahm nur mein kleines Wanderzelt, Schlafmatte und Schlafsack mit. Abends gönnte ich mir noch ein Festessen bestehend aus Filet Steak und Spargel.

 

24.  Paddeltag              48 km

Sonntag 6.7.                       Calvi Camping Dolce Vita – Bucht von Loto
Anlandung Plage de Botre bei Corbara

5 Uhr stehe ich an diesem Sonntag auf und 6.45 Uhr paddele über den Fluss in die Bucht hinaus. Die See liegt ruhig vor mir als sei sie noch im tiefsten Schlaf und die Zitadelle von Calvi träumt in der Morgensonne.  Nur ein Fischer zeigt mit seinem geschäftigen Getucker, dass der Morgen erwacht.

Ich freue mich an diesem herrlichen Morgen wieder auf See zu sein. Ein blauer Himmel, den auch nicht das kleinste Wölkchen trübt, verspricht  einen makellos schönen Tag. Ohne zu zögern paddele ich gleich auf  das Kap Caldanu zu und als ich es erreiche, geht es gleich mit kleiner Kursänderung weiter auf die Insel Spanu zu.   So allmählich kommt ein leichter Westwind auf und macht das Paddeln sehr angenehm.
Eine halbe Stunde hinter dem Kap in der Nähe von Corbara, taucht ein schöner Sandstrand mit vielen Badenden auf. Es ist die Bucht von Giunchetu und hier halte ich auf eine Baracke am westlichen Strand zu, von der ich glaube, es könnte vielleicht doch ein Restaurant sein. An einem winzigen Strand legte ich gegen 10 Uhr an.
Die unscheinbare Baracke erweist sich tatsächlich als ein Restaurant und sogar als ein sehr vornehmes.  Ich bin entzückt und bestelle wie im Stillen gewünscht einen großen Kaffee und ein Schinkensandwich. Mit Blick auf den Strand lasse ich es mir in allergrößter Ruhe gut ergehen. Selten habe ich die warme Luft, den feinen Wind und das blaue Meer intensiver genossen als jetzt.

Nachdem ich gut gespeist habe, gehe ich zum Boot zurück mit dem Gefühl alle Zeit der Welt zu haben. Also erlaube ich mir diesmal ein Bad in den Fluten. Es ist ein wunderbarer Augenblick, als ich in das klare Wasser gehe und noch ein wenig herum schwimme.


Eine junge Frau mit Mann und zwei Kindern nebenan auf dem kleinen Strand ist neugierig und fragt mich direkt, wo ich mit dem Boot herkomme. Ich erzähle ihr etwas von meiner Tour, da meint sie trocken: „Chapeau, dazu brauche man wohl nicht nur Kraft, sondern auch Köpfchen!“ Das hatte noch niemand gesagt.
12 Uhr paddle ich endlich weiter. Das Baden hat mich belebt, ich fühle mich erholt und die Äußerungen der jungen Frau gingen mir noch eine ganze Zeit durch den Kopf.   
In der blauen Bucht von L´Ile de Rousse halte ich mit Paddeln ein und lasse mich treiben, um die sonntägliche Stimmung noch einmal richtig zu genießen. Die schöne Stadt vermittelt mit ihren toskanisch anmutenden Häusern und den Palmen, einen italienischen Eindruck. Dazu trägt natürlich auch der mediterrane Hochsommertag entscheidend bei.

 
Da ich mich sehr wohl fühle, der Wind weiterhin schwach aus West weht und mir das Kap Acciolu nicht so weit entfernt  erscheint, entschließe ich mich darauf direkt zu zu paddeln. Ich komme glänzend voran, nähere mich aber trotzdem nur langsam der Landspitze. Auch wenn die Sonne das Kap nah erscheinen lässt, es bleiben doch 12 km freie See, die zu überwinden sind. Es mag seltsam erscheinen, aber über das Ziel des heutigen Tages habe ich immer noch keine genaue Vorstellung. So paddle ich munter und unbekümmert einfach weiter und das auch deswegen, weil der Wind auch über die Mittagszeit überraschend schwach bleibt.


Schon bald liegt der Strand von Ostriccioni, der eigentlich auch gut das Ende der heutigen Etappe sein könnte,  hinter mir. Auch die Bucht von Pinzuta quere ich, bin aber langsamer geworden und paddle an das Kap Acciolu, nicht mit der gleichen Leichtigkeit wie bisher heran. Erst 15.30 Uhr passiere ich es in der irren Hoffnung , dass es bis St. Florent nicht mehr weit sei.


Nach 3 km taucht das Kap Solche auf und ich halte nach einem Strand Ausschau, paddle aber von einem Kap zum anderen ohne auch nur die geringste Möglichkeit für ein Anlanden zu sehen. Nun kommt, was irgendwann kommen musste, ich werde müde und die Kilometer ziehen sich zäh dahin. Dauernd schwirren Motorboote um mich herum, die ich als störend empfinde, wenn sie zu dicht an mich heranfahren. Viele Winken und dann hebe ich mein Paddel mit beiden Händen zum Gruß.
Doch langsam wird es Abend. Motorboote und Yachten lösen sich von der Küste und fahren in schneller Fahrt Richtung St. Florent.  
Als ich am Kap Curza bei leichtem Westwind und ruhiger See vorbei paddle und den neuen Kurs Südost nehme, bin ich nicht mehr überzeugt, noch vor Sonnenuntergang in St. Florent anzukommen. 2 km weiter sehe ich einen schon fast verlassenen Strand in den warmen Strahlen der Abendsonne liegen. Ich bin von der Schönheit und Romantik ergriffen  und beschließe, die Nacht hier zu verbringen.


Es ist schon fast 8 Uhr abends als ich an diesem wunderbaren Strand anlege. Ein paar Kinder, die wohl auf den ankernden Booten zuhause sind, spielen noch herum. Ich suche mir eine Stelle am Strand an der einige Baumstämme liegen und treidle das Boot dorthin.

Auf dem Baumstumpf koche ich mir eine Erbsensuppe und trinke ein Pietra Bier. Ich fühle mich unglaublich wohl. Den ganzen Strand habe ich für mich allein. 
Das Zelt ist hier schnell aufgebaut. 23 Uhr lege ich mich zur Ruhe. Nicht weit vom Wasser entfernt höre ich nur wenig die Brandung und habe eine außerordentlich ruhige Nacht.

 

 

25.  Paddeltag              7 km

Montag 7.7.                        Bucht von Loto – St. Florent, Camping Aqua Dolce

Morgens gegen 5.30 Uhr ist es noch ziemlich frisch. In der Hoffnung bald in St. Florent zu sein esse ich wenig und kann schon 7 Uhr weiter paddeln. Schon nach dem ersten Kap sehe ich eine alte Turmruine und nun weiß ich, dass ich weiter von St. Florent entfernt bin, als ich bisher angenommen hatte.  Eine leichte Strömung treibt mich nach Osten. Der Himmel ist anfangs noch überwiegend klar aber später kommen Wolken auf. Obwohl es windstill ist, kündigen die Wolken in den Bergen  schon einen Wetterwechsel an.


Heute komm ich nur schleppend voran. Der Leuchtturm von Furnali kommt und kommt nicht näher.

Als ich gegen 9 Uhr auf den Strand hinter der Insel Roya  paddele, kommt kein Jubel über meine Lippen. Still steige ich aus dem Boot, ziehe es ein Stück aus dem Wasser und bin von Dankbarkeit erfüllt, dass ich ohne besondere Vorkommnisse in St. Florent anlanden kann. Keine Selbstverständlichkeit, wie meine bisherige Erfahrung zeigt.



Auf dem Campingplatz "Aqua Dolce" baue ich mein Zelt auf. Im Laufe des Tages schaute ich mir noch St. Florent an und erkundete die nähere Umgebung.

Wenn es morgen noch einmal ruhig sein sollte, werde ich noch ein Stück an der Westküste Richtung Kap Corse weiter paddeln. Wenn es gut läuft, vielleicht sogar um das Kap selbst. Aber das Wetter ist natürlich entscheidend.

Am nächsten Tag wehte ein starker Nordwest mit 4 Windstärken in die Bucht. Weiße Schaumkronen bedeckten die See. Eine Weiterfahrt war nicht möglich. Den nächsten Tag packte ich in mein Boot zusammen und bereitete mich auf die Heimfahrt mit der Fähre in Bastia vor.

Eine großartige Paddeltour, voller Erlebnisse und Abenteuer, bei der ich die wunderschöne Küste Korsikas kennengelernt habe, ging ihrem Ende entgegen. Nochmals danke ich allen, die mich dabei unterstützt und mir durch viele schöne Gesten aus manch schwieriger Situation geholfen haben.

Klaus